Nur mal so...
-40C gleichen -40F.
Während ich als erstes erklären will wie ‘Fahrenheit’ funktioniert, werde ich mich auf’s nötigste in Kurzform beschränken:
Fahrenheit war ein Wissenschaftler, der im spätem 19. Jahrhundert beschloss ein Mix aus Alkohol und Wasser zu schaffen der bei einer gewissen Temperatur einfrohr.
Fuer null Fahrenheit (seinen ‘Gefrierpunkt) nahm er die kälteste Temperatur, die es in jenem Jahr vor der Tür seines Hauses im Schwarzwald gab. Das waren dann wohl -18C . Hurrah !??
Als 100 Grad Fahrenheit setzte er die normale Körpertemperatur des Menschen an. Eine brillante Idee ?
Wie wir heute wissen, ist die durchschnittliche Körpertemperatur des Menschen 98.5 Grad Fahrenheit. Damit hat er also nicht nur seine 100 Grad Fahrenheit falsch angesetzt, sondern 0 Grad als eine Temperatur irgendwo im Schwarzwald während eines kalten Winters gewählt.
Dies ist was die USA dann später als einziges Land Nordamerikas (der Welt?) zur Temperaturmessung benutzte und dies heute noch tut. Eher traurig.
Wer verwirrt ist aber mit Fahrenheit umgehen muss (wie ich), kann sich folgendes merken: -40C sind -40 Fahrenheit und 16C sind 61 Fahrenheit (man dreht die Zahlen einfach um). 0C ist 32F. 0F sind -18F.
Ok, um genau zu sein, sind 0F -17.58 C. Was auch immer...
Die Moral der Geschichte: Ein langer Winter im Schwarzwald konnte damals im 19. Jahrhundert anscheinend zu recht dummen Gedanken führen.
Soweit dazu...
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Nun aber zum Punkt:
Gestern Nacht waren es auch bei uns -41C (-43F).
Solange kein Wind weht ist dies nicht so schlimm.
Klar: Kopfmaske, gute Handschuhe und ein einteiliger Anzug helfen, wenn man länger draussen sein will.
Fuer diejenigen, die hier in Alaska leben, Vorsichtsmassnahmen treffen und fuer Outdoor-Aktivitäten ausgerüstet sind ist dies allerdings kein wahres Problem.
Wer warm bleibt, muss sich über längere Zeit eigentlich nur über Unterwässerung Sorgen machen. Bei -40C liegt hier die Luftfeuchtigkeit normaler Weise weit unter 20%. Dies heisst, dass man mit jedem Atemzug (der Nebel, der beim Ausatmen aufsteigt) ein paar Tropfen Wasser verliert.
Interessanter Weise haben Teste bewiesen, dass das Durstzentrum im Gehirn bei extrem kalten Temperaturen den Menschen nicht wirklich vorwarnt.
So gibt es z.B. auf den Erdölfeldern nördlich der Brooks Range jedes Jahr Menschen, die auf Grund von Dehydration am Job kollabieren.
Sie spüren den Durst in der Kälte nicht wirklich bis der Kreislauf zusammen bricht. Oft muss man dort die Farbe seines eigenen Urins angucken um heraus zu finden wie es um den eigenen Körper steht… oder eben einfach Wasser trinken ohne es zu ‘wollen’.
Es ist auch einer der Gründe wieso bei Schlittenhunderennen nicht nur fuer Musher sondern auch fuer die Hunde ein Sprichwort steht und meist dreimal gesprochen wird:
Trinke, trinke, trinke !
Als ich früher Dogdrop Manger in Mile 101 war, sprach ich diese Warnung sicherlich hunderte von Malen aus.
Natürlich kümmern sich Musher darum, dass ihre Hunde trinken, vergessen sich aber oft selbst auch wenn die Warnzeichen von Entwässerung schon klar sichtbar sind. Bei Kälte muss man trinken, egal ob man sich danach fühlt oder nicht.
Manchmal muss man sich dazu zwingen etwas nahrhaftes zu essen, da oft auch das Hungergefühl nicht ganz so funktioniert wie es das zuhause vor dem Kühlschrank tut.
Ich erinnere mich noch an eine lang vergangene Motorschlittentour mit Carsten Thiess. Wir hielten unverhofft bei -40C in blitzendem Sonnenschein mitten auf dem Eis des Yukon River an: “Jetzt essen wir was.” - “Ich hab keinen Hunger”, meinte ich.
“Wir essen jetzt. Der Bauch sollte immer gefüllt sein. Man weiss nie was passiert.” Carsten war eher streng in dem was er wollte.
Also haben wir dann ein paar fettige Würstchen auf dem Auspuff seines laufendem Motroschlittens gebraten.
40 km und 90 Minuten später blieb ich mit meinem Motorschlitten im Overflow stecken und arbeitete lange daran die Maschine wieder auf den Trail zu bringen.
Die Würstchen haben dabei mit Sicherheit geholfen, denn ansonsten wäre ich zu diesem Zeitpunkt sicherlich hungrig und damit auch eher schlapp gewesen.
Dies sind kleine Lektionen die aber (ohne dramatisch klingen zu wollen) weit entfernt von jeder Siedlung eventuell über Leben und Tod entscheiden.
Der Rest der Sache ist wie gesagt wirklich nur eine Frage guter Ausrüstung und der Weisheit und Vorsicht derjenigen Menschen, der sie benutzten.
-40C sind ohne Zweifel fuer all die machbar, die ein paar Tricks berücksichtigen sowie Vorsicht und Vorbereitung vor Torheit stellen.
Weit draußen wartet ansonsten nichts anderes als der Tod. Und nein, auch dies ist nicht dramatisch gemeint. Es ist nichts anderes als eine gut gemeinte Warnung.
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In meinem Falle:
Ich bleibe im Augenblick zuhause, backe Brot, füttere die Vögel und Eichhörnchen, sitze zu Weilen am Computer und spiele mit meinen Enkeln im Wohnzimmer während wir den Holzofen geniessen.
Alles hat seine Zeit, und auch -40C machen Sinn.
Ohne die langen Kälteperioden würde Alaska wie Kalifornien ganzjährig von Touristen überrannt werden. Der lange Winter schützt das Land und auch das Leben, das wir hier geniessen.
Wenn das Thermometer auf -40C sinkt, muss ich lächelnd nicken. Diese ‘gar schrecklichen’ Temperaturen sind das einzige das unseren Staat, unsere Flüsse, unsere Wälder und unsere Lebensart vor einer Überbevölkerung schützt.
Somit bin ich dankbar, dass man über -40 Grad Celsius in Alaska redet.
Dankbar dafür, dass dies fuer viele eine undenkbare Temperatur ist, und dankbar dafür, dass uns das Land damit vor all dem schützt was vielleicht kommen wird.
Peter